Die Vorstellung eines neuen, geschlossenen Prusa CORE One sollte wenig verwundern, aber es könnte Abhilfe geben
Ein Gastbeitrag von Paul Jerchel
Commons sterben ohne Commoning. Freies Wissen und Gemeingüter, alle werden mit der Zeit eingehegt und zu weiten Teilen unzugänglich, wenn keine Prozesse und fortwährend kultivierte Beziehungen bestehen, die diese unabhängig von der unmittelbaren Nutzung aufrechterhalten und wiederkehrend mit externen Ressourcen und dem geistigen Zutun aller Beteiligten nähren. Ein Phänomen, dass sich bisher wenig aufgearbeitet auch im Feld der Open-Source-Hardware nachvollziehen lässt: Zahlreiche Industriegrößen wendeten sich in den letzten Jahren der quelloffenen Entwicklung, nur um Open-Source-Erzeugnisse nachträglich zu proprietarisieren oder mit von Beginn nicht nachahmbaren Produkten “Openwashing” zu betreiben.
Dass sich 3D-Druck- und verdienstvoller Open-Source-Pionier Josef Průša nun gezwungen sah, weite Teile seines zukünftigen Workhorse Prusa CORE One entgegen früherer Modelle closed-source zu vertreiben und nur teilweise – mit der mutmaßlichen Absicht eines Insourcings der Kreativität seiner Kunden – zu publizieren, mag angesichts der starken Konkurrenz im Bereich semiprofessioneller 3D-Drucker einer spezifischen Logik innewohnenden Sinn machen, birgt jedoch – wie einige (vgl. Nardi, Williams & Flowers 2024) bereits betonten – das Risiko, das zentrale Kaufargument eines Prusa-Druckers zu verlieren. Aber auch die womöglich auf Druck der Community bevorstehenden weiteren Veröffentlichungen werden sich vollständig im Rahmen klassischer Abwägung einer Positionierung im Markt bewegen.
Auch wenn es einige sicher nicht mehr hören können, sollte dies eine neue Phase für die Debatte über die Institutionalisierung von Open-Source-Hardware markieren, die in den vergangenen Jahren schon einige große Schritte machte:
Förderungen durch Stiftungen und öffentliche Geber, starke internationale und regionale Ökosysteme, Forschungsprojekte und Ausgründungen haben wesentliche Schritte für die Standardisierung und Skalierung von Open-Source-Hardware unternommen. Sie werden weiter zentrale, aber künftig möglicherweise schwierige Bedingungen vorfinden. Mit dem Open Science Shop haben sich zuletzt engagierte Forschende, Unternehmer und Aktive zusammengeschlossen, um bestehende Open-Hardware-Produkte wie OpenFlexure weltweit und verteilt zu fertigen und vertreiben zu können. Weitere Geschäftsmodelle zur Erschließung von Open-Hardware-Erzeugnissen aus der Wissenschaft bestehen. Zusätzlich haben etablierte Plattformen wie CrowdSupply Open Source Hardware priorisiert und Skalierbarkeit geschaffen.
Nichtsdestotrotz haben es bisherige Förderinstrumente und Akteure in den seltensten Fällen geschafft, den Entwicklungsaufwand und die Innovationsförderung in ihrer Gesamtheit über Einzelvorhaben oder individuelle Kaufentscheidungen hinauszuheben – und damit auch etwas vom tagesaktuellen Marktgeschehen zu entkoppeln. Was sich bei FOSS noch weitgehend als unverbindliches Beitragssystem organisieren kann, dürfte bei Hardware noch viel schneller von einer demokratisch geplanten Zusammenführung der Beiträge bzw. der Zusammenführung und Abstimmung der zahlreichen Informationsflüsse abhängen. Auch die Entwürfe finalisierenden Entwicklungs- und Fertigungskapzitäten sowie Produktionsrisiken könnten womöglich ab und an gepoolt und geteilt werden.
Es dürfte Sinn machen, sich die von David Bollier, Silke Helfrich und anderen entwickelte “Mustersprache des Commoning” (s. a. Bollier & Helfrich 2019 anzuschauen, die unter anderem individuelle Beitragsmöglichkeiten mit festen Mitspracherechten verknüpften, und mit den aktuellen Institutionen im Ökosystem offener Hardware zu vergleichen. Ob eine Plattformkooperative (platform coop) aus Förderern, Entwicklern, Produzenten und Nutzern am Ende größere Chancen auf andauernde Open-Source-Innovation und Commons-based Peer-Production hätte als das heutige Prusa, lässt sich derzeit nicht abschließend sagen. Aber es könnte sich lohnen, darüber nachzudenken, Beispiele zu suchen und mehr auszuprobieren. Für die Bewahrung echter Openness braucht es die Teilentkopplung vom proprietarisierenden Markt – und ein Community-getragenes Finanzierungs- und Innovationsmodell, das den Namen verdient.
Bildquelle: Mycena Interrupta – CC-BY-SA 3.0 – JJ Harrison