Implementierung eines solaren 48V Gleichstrom-Netzes im OpenEcoLab Rahden
Das Forschungs-Projekt “OpenNanoGrid” beschäftigt sich mit der Entwicklung, Implementierung und experimenteller Erprobung eines dezentralen DC-Niedervolt-Hausversorgungssystems auf OpenSourceHardware-Basis. Jetzt erfolgte erstmalig eine Referenz-Implementierung des OpenNanoGrids im OpenEcoLab Rahden (einem Forschungs- u. Entwicklungs-Standort sowie Reallabor vom OSE Germany e.V.). Das System ist auf die örtlichen Gegebenheiten ausgelegt aber kann als Fallbeispiel für andere stationäre Hausversorgungen auf OpenNanoGrid-Basis dienen, weil hier bereits alle wichtigen Grundelemente zum Einsatz kommen.
Das Projekt ist entstanden durch die langjährige Zusammenarbeit zwischen OSEG, LibreSolar und der Arbeitsgruppe cos(h) der HAW Hamburg und beschreibt die logische Weiterentwicklung der gemeinsam entwickelten LibreSolarBoxen (https://wiki.opensourceecology.de/SolarBox) zu einem größeren, stationären Standortnetzwerk. Es wurde von der Veolia Stiftung gefördert im Rahmen des Förderprogrammes 2021, “Energieeffizienz und erneuerbare Energien”
Nähere Details sind auf der OpenNanoGrid-Projektseite im OSEG WIki zu finden unter: https://wiki.opensourceecology.de/OpenNanoGrid
In einem OpenNanoGrid können einerseits mehrere Stromquellen wie Photovoltaik-Anlagen oder Solarspeicher und andererseits eine große Auswahl verschiedener Verbraucher dezentral in das System eingegliedert und vernetzt werden.
Ein derartiges lokales Gleichstrom-Netz ist insbesondere ideal für solche Verbraucher bzw. Geräte, welche intern ohnehin schon auf Gleichstrom laufen und ansonsten durch einen zusätzlichen Adapter an das häusliche 230V-Wechselstromnetz angeschlossen werden (aber zB. auch sowas wie Raum-Beleuchtung). Solche Adapter und die damit verbundenen Umwandlungsverluste können somit durch einen direkten Anschluss an das OpenNanoGrid eingespart werden sowie auch die entfallenden Umwandlungsverluste von Solarstrom durch einen Inverter.
Desweiteren erlaubt die definierte Bus-Spannung von 48V und auf den Power-Leitungen eine aktive Anpassung (per Wandler) der einzelnen Komponenten daran ein intelligentes Ressourcenmanagement (https://github.com/LibreSolar/thingset).
Während bereits verschiedene Einzelkomponenten wie Steuerung, BMS (Batterie-Management-System), Laderegler usw. in einzelnen Open-Source-Hardware-Projekten entwickelt wurden (und werden, siehe zB. https://wiki.opensourceecology.de/LibreSolar_BMS) geht es nun konkret darum, ein solches OpenNanoGrid auch physisch zu implementieren und die bisher verfügbaren Komponenten und weitere zu einem lokalen live-Grid zusammenzuführen.
Das bedeutet in dieser Entwicklungs-Phase vor allem den Aufbau eines „Backbones“ und einer „Backplane“.
- Unter “Backplane” verstehen wir im OpenNanoGrid-Kontext so etwas wie einen großen (oder auch mehrere kleinere) Solarspeicher, welcher es ermöglicht eine Anzahl von Stromgeneratoren (also etwa eine oder mehrere Photovoltaik-Anlagen) zu integrieren und deren Stromzufuhr auf sich zu vereinigen.
- Der „Backbone“ bezeichnet hingegen das „Rückgrat“ des Kabelbaums, welcher einen lokalen Standort durchzieht und von welchem abzweigende Stränge einzelne Outlets (also zB. DC-Wandsteckdosen oder auch die Beleuchtung eines Raumes) versorgen. Im Grunde handelt es sich dabei also um ein Leitungssystem, welches ggf. parallel zu einem evtl. vorhandenen 230V-AC-Netz verläuft aber nicht zwingend damit verbunden sein muss.
D.h., der über die direkte Nutzung von Solarstrom sowie dessen Speicherung in der “Backplane” deutlich erhöhte Eigenverbrauch erhöht in gleichem Verhältnis auch den prozentualen Autarkie-Grad (d.h., den Anteil an selbsterzeugtem Strom gegenüber von außen zugeführtem Netzstrom). Ein OpenNanoGrid kann also ideal auch als Insel-Anlage betrieben werden.
Die Dokumentation beschreibt die (erste) Referenz-Implementierung des OpenNanoGrids im OpenEcoLab Rahden und dient dem Forschungs- u. Entwicklungs-Standort sowie Reallabor vom OSE Germany e.V. als Beispiel und Grundlage bei Unterbringung u. Aufenthalte von Projekt-Entwicklern zur vertieften gemeinsamen Projektarbeit. Sie ist auf die örtlichen Gegebenheiten ausgelegt aber kann als Fallbeispiel für andere stationäre Hausversorgungen auf OpenNanoGrid-Basis dienen, weil hier bereits alle wichtigen Grundelemente zum Einsatz kommen.
Aufbau des OpenNanoGrids
Das OpenNanoGrid wird versorgt durch mehrere verschieden große Solar-Generatoren und daher gut skalierbar und modifizierbar. Der von den Solarpanels erzeugte Strom wird zunächst in die Backplane eingespeist, welche u.a. eine LifePO4-Akkubank als Solarspeicher enthält. Von dort aus werden in einer Unterverteilung verschiedene räumliche Bereiche im OpenEcoLab mit 48V-Gleichstrom versorgt und kann in den Räumen über Outlets mit XLR-Buchsen abgegriffen und genutzt werden. Diesen Teil der Anlage bezeichnen wir auch als Backbone.
Die einzelnen Versorgungsbereiche
Die erzeugten Strommengen werden ausschliesslich für OSEG-Projekte verwendet und versorgen daher räumliche Bereiche im OpenEcoLab, in welchen Vereinstätigkeiten wie Forschung, Entwicklung und Bildungsangebote stattfinden:
– Das Seminarhaus: Hier finden öffentliche OSEG-Workshops statt sowie Seminare, Forschung u. Weiterentwicklung einzelner Open-Source-Hardware-Projekte und es gibt zwei Gästezimmer für Dozenten u. Seminarteilnehmer sowie einen Raum für 3D-Drucker.
– Die Kulturräume: Dabei handelt es sich um klimatisierte Kulturräume welche für ganzjährige UrbanFarming-Projekte wie Indoor-Hydroponik und Jungpflanzenanzucht verwendet werden. Dieser Bereich wird bereits komplett durch das OpenNanoGrid versorgt und ist somit autark.
– Der Werkstatt-Bereich: Hier stellt das OpenNanoGrid nur einen von mehreren Netz-Arten bereit; die anderen beiden sind 230V AC und 380V Drehstrom zur Versorgung größerer Maschinen. Der Gleichstromanschluss kann aber hier bereits sehr gut für die Raum-Beleuchtung genutzt werden, sowie für kleinere (modfizierte) Powertools und CNC-Geräte.
– Das Elektronik-Labor: Ausser Beleuchtung und diversen elektronischen Geräten werden hier auch Komponenten der digitalen Kommunikations-Infrastruktur versorgt, wie zB. Datenbank-Server zur Sammlung von Mess-Daten sowie PC-Arbeitsplätze.
Solar-Generatoren
In der aktuellen Version beinhaltet dies 5 Solarkollektor-Flächen bzw. Solar-Generatoren, davon 2 mit jeweils 1.5 KWp, eine mit 1.0 KWp, eine mit 600 Wp und eine mit 400 Wp, was in Summe 5 KWp ausmacht. Die ersten drei versorgen als Hauptgeneratoren direkt die Backplane, die anderen beiden dienen zur Versorgung von lokalen Subnetzen, etwa bei Einbindung einer LibreSolarBox. Insgesamt ergibt sich somit eine Solarpanel-Leistung von 5 KWp, die mehr als ausreichend ist, um den Solarspeicher (mit 10,5 KWh) binnen 3 bis 4 Stunden komplett aufzuladen.
Die drei Hauptgeneratoren sind auf dem Dach montiert und haben eine West-Ost-Ausrichtung; die beiden kleineren sind aufgeständert und haben Süd-Ausrichtung. Damit sind pro Jahr mindestens 4500 KWh an Ertrag zu erwarten.
Backplane mit MPPTs und Speicherakkus incl. BMS
Für die Backplane in dieser Dimensionierung wurde ein eigenes Rack konstruiert auf Basis des OpenHardware Baukstensystems „UniProKit“.
Es ergibt sich dadurch ein unterer Bereich mit Einschüben für die Pylontech Akku-Module und ein oberer Bereich mit den Steuerungs-Komponenten. Dieser beinhaltet auf der Vorderseite die eigentliche Backplane-Schiene, also die Sammelschiene mit allen Zu- und Ableitungen, die Eingangs-Sicherungen und die Zentralsteuerung- u. Daten-Sammelstelle.
Letztere ist über einen ve.direct-Bus mit den MPPTs auf der Rückseite verbunden, welche abgesichert die Sammelschiene mit solarem Strom versorgen, ab hier bei einer Spannung von nominell 48V und max. 216 A.
Backbone-Verkabelung zur flächendeckenden Anbindung verschiedener Räume
DC-Sicherungsautomaten mit 16 A erlauben auf den einzelnen Leitungen zu den räumlichen Bereichen eine nominelle Last von 768 W aber für Dauerbetrieb sollte man bis maximal 500 W belasten . Darüber wurden 4 verschiedene räumliche Bereiche an das OpenNanoGrid angeschlossen: Der Seminarraum, die Kulturräume, das Elektronik-Lab und die Werkstatt. In jedem dieser Bereiche befindet sich mindestens eine zuführende 48V Leitung und ein OpenNanogrid-Outlet dafür, zuzügl. weitere ergänzende Outlets. Das OpenNanoGrid selbst kann (und wird) von seiner aktuellen Kapazität her noch um 4 weitere Versorgungsleitungen problemlos erweitert werden.
DC- Outlets in den einzelnen Räumen für 48V
Es wurde ein modulares System zur Erstellung von zwei kombinierbaren Grundtypen von Outlets entwickelt, mit denen sich alle möglichen gewünschten lokalen Anschlussvarianten realisieren lassen. Dabei werden in hartschaligen Verteilerkästen 1 oder bis zu 3 XLR-Buchsen intgegriert, und mit der zuführenden 48V-Leitung verbunden (entweder als festes Kabel, oder mit einem XLR-Stecker). Ausserdem könnten noch bis zu 3 weiteren festen Anschlusskabeln herausgeführt werden.
Switchboxen um auch 12V oder 24V aus den 48V zu generieren
Der zweite Grundtyp enthält einen DC-DC-Wandler auf wahlweise 24V oder 12V. Aus Platzgründen kann hier nur eine XLR-Buchse als Ausgang noch mit integriert werden, so das man, wenn man mehr als einen Verbraucher damit versorgen möchte, einen Verteiler vom ersten Grundtyp zur Verdreifachung der Anschlüsse daran ankoppeln würde.
Dadurch lassen sich individuelle Anschlusskombinationen erstellen.
Gleichstrom-Verbraucher
Mit dem OpenNanoGrid können 48V und 24V DC-Verbraucher bis ca. 500W versorgt werden, sowie 12V Verbraucher bis zu 300W. Insbesondere für 12V und 24V gibt es schon eine größere Auswahl an Geräten und Verbrauchern aus den Marktbereichen „Camper und Caravans“. Man braucht einfach nur den Versorgungsanschluss mit einem XLR-Stecker(-Adapter) zu versehen. Desweiteren gibt es viele Geräte, die interen ohnehin schon mit Gleichstrom laufen und diesen durch einen Netzteiladapter mir 230V AC Anschluss beziehen. Da könnte man letzteren bei 12V und 24V einfach weglassen und bei anderen Voltzahlen, zB. Akkuschrauber mit 18V, müsste man noch einen kleinen DC-DC-Wandler dazwischenschalten.
Es könnten auch Geräte im Rahmen von weiteren Open-Source-Hardware-Projekten neu entwickelt und konstruiert werden, vorzugsweise mit 48V Systemspannung, denkbar wäre zB. eine einfache DC-Waschmaschine oder ein auf Peltier-Elementen basierender Kühlschrank. Wir haben uns vor allem erstmal auf das Thema Raum-Beleuchtung konzentriert und eine flexibel verwendbare Kabel-Lampe entwickelt, welche direkt ans OpenNanoGrid angeschlossen werden kann, und zwar sowohl an 12V als auch an 24V Ausgänge.
Im Seminarraum und in der Werkstatt können CNC-Geräte wie 3D-Drucker oder Tischfräsen direkt am OpenNanoGrid betrieben werden. So haben die meisten 3D-Drucker ab 30 x 30 cm Druckraum heutzutage standardmäßig ein 24V-Netzteil, welches man einfach weglassen bzw. gegen ein XLR-Anschlusskabel zum 24V-Outlet austauschen kann.
Firmen wie Einhell, Makita und Bosch gehen heutzutage in eine ähnliche Richtung und bieten jeweils ein ganzes Universum an Akku-basierten Kleingeräten an, zunächst im Werkstatt- und Garten-Bereich, wie zB. Akkuschrauber, Kettensäge und Motorsense, aber sind auch bemüht das Produktspektrum in andere Haushaltsbereiche auszudehnen, wie zB. den Akku-betriebenen 36V-Staubsauger. Hier braucht man lediglich ein einziges Teil anzupassen, nämlich die Ladestation und hat im selben Moment eine Vielzahl von Verbrauchern für das OpenNanoGrid nutzbar gemacht.
Wechselstrom-Verbraucher
Eine weitere Möglichkeit um auf einen Schlag eine Vielzahl möglicher Verbraucher aus dem OpenNanoGrid zu versorgen besteht darin kleine Wechselrichter mit ein paar hundert Watt Leistung an 12V, 24V oder 48V zu verwenden. Damit könnte man alle möglichen AC-Verbraucher im Leistungsbereich des OpenNanoGrids mit solarem Strom versorgen. Das wäre ein Tabubruch im Hinblick auf den eigentlichen Sinn und Zweck des OpenNanoGrids als Gleichstromnetz. Allerdings könnte man es zunächst als Übergangslösung einsetzen und nach und nach immer mehr Verbraucher direkt anschließen. Auf diese Weise wird aber immerhin schon die Energie/CO2-Einsparung realisiert und es lässt sich vergleichsweise einfach implementieren. Z.B. können dadurch die Kulturräume bereits zu 100% und ausschließlich mit Solarstrom versorgt und betrieben werden.
Subnetze (LibreSolarBox)
Insbesondere im Hinblick auf die Einbindung von LibreSolarBoxen in Subnetze erfüllt das OpenNanoGrid eine wichtige Funktion als Referenz- und Test-Plattform. Diese können durch die beiden kleinen Solargeneratoren mit jeweils 400W und 600W versorgt werden, wobei bei ersterem die LibreSolarBox in unmittelbarer Nähe zur Backplane positioniert ist, um im Testbetrieb sozusagen beide gleichzeitig in Reichweite zu haben. Die zweite LibreSolarBox ist maximal weit von der Backplane entfernt und unterstreicht damit noch eher den Charakter eines dezentral lokalisierten (und teilautonomen) Subnetzes. Die LibreSolarBox kann dabei mit einem Relais ans OpneNanoGrid angebunden werden oder über einen NanoGrid-Controller, welcher sich derzeit noch in Entwicklung befindet. Weiter fortgeschritten ist inzwischen hingegen das in einem separaten Open-Source-Hardware-Projekt entwickelte und speziell auf 48V ausgelegte LibreSolar-BMS16s, welches in den Subnetzen eine ideale Testumgebung findet.
Das OpenNanoGrid als Forschungsplattform
Der wichtigste erreichte Meilenstein ist die Referenz-Implementierung als Ansatzpunkt und Orientierung für künftige Entwicklungen sowie als ideale Testumgebung für laufende Projekte.
Das Projekt OpenNanoGrid und damit verbundene weitere Open-Source-Hardware-Projekte wie die Komponenten von LibreSolar, in all ihren Teilprojekten und Schaltungsentwicklungen laufen schon seit 2017 und es wurden seitdem schon viele Teilkomponenten verwirklicht.
Dank der Unterstützung bzw. der Förderung durch die Veolia Stiftung war es aber nun möglich, einen riesigen Schritt nach vorne zu machen und und ein komplettes Grundsystem physisch aufzubauen, in welchem das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten erstmals in einem Verbund aufgesetzt wurde und welches fortan in einem produktiven Einsatz-Szenario läuft und damit den alltags-praktischen Anforderungen im Dauerbetrieb unterzogen wird.
Damit können nun auch Fragen erforscht und Dinge geklärt werden, welche sich in der Theorie nur schwer berechnen oder einschätzen lassen, zum Teil weil sie individueller Natur sind und von örtlichen Gegebenheiten abhängen. Also z.B. die Frage, welcher Anteil am Stromverbrauch eines größeren Standortes wie dem OpenEcoLab Rahden sofort durch Gleichstrom-Anwendungen abgedeckt werden kann und welche Anteile etwa mit geringem Aufwand ergänzt werden können. Und was bleibt dann noch übrig an (zumeist größeren) AC-Verbrauchern bzw. -Anwendungen (die man sich dann nochmal gezielt vornehmen kann). Und wie verhält es sich mit deren Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit im Alltag. So wäre z.B. eine Kreissäge mit 3000 Watt ein Verbraucher, der sicherlich nicht so einfach ans OpenNanoGrid angebunden werden kann, aufgrund der hohen Leistungsentnahme. Allerdings handelt es sich dabei auch um eine Anwendung die nur gelegentlich gebraucht wird, wohingegen etwa ein Kühlschrank eine deutlich geringere Leistungsaufnahme hat, die aber eine Grundlast-Charakteristik aufweist und daher ständig benötigt wird. Der konkrete Praxis-Einsatz hilft also auch, den Blick fürs Wesentliche zu schärfen und darauf aufbauende Entwicklungen zu fokussieren.
Anmerkung der Redaktion:
An dieser Stelle auch einen herzlichen Dank im Namen des Vereins für die von Oliver und seinem OpenEcoLab2 Rahden zur Verfügung gestellte Infrastruktur zur Durchführung des Vorhabens.